Offener Austausch beim Barcamp zu Digitalisierung und Innovation im Mittelstand

Unter dem Thema „Innovation und Digitalisierung im Mittelstand“ fand am 5. Juli in Münster das dritte „enablingcamp Münsterland“ im Digital Hub münsterLAND statt. Rund 90 Interessierte aus Mittelstand, Wissenschaft und Startups brachten Ihre Meinungen und Ideen ein und diskutierten zum Thema Innovation im Mittelstand. Das enablingcamp Münsterland wurde gemeinschaftlich vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Lingen, dem Digital Hub münsterLAND, dem Projekt Enabling Innovation des Münsterland e. V. und dem Projekt start.connect des IPD der FH Münster veranstaltet.

Das Besondere eines Barcamps ist, dass es kein vorgegebenes Programm gibt. Jeder kann sich selbst in die Gestaltung der Veranstaltung einbringen. So entsteht ein offener Austauch und es werden regionale, strukturelle und hierarchische Grenzen abgebaut, damit neue Ideen und Impulse kreativ und gemeinsam diskutiert werden können.

Die Veranstaltung begann mit einer Vorstellungsrunde der Teilnehmenden. Anschließend konnten Interessierte Ihre Ideen für die jeweils einstündigen Sessions vor dem Plenum vorstellen und gemeinsam diskutieren.Die Teilnehmenden stellen sich vor. Insgesamt wurden 16 Sessions in das Programm aufgenommen. Da immer vier Sessions parallel abgehalten wurden, hatten die Teilnehmer zu jeder Zeit eine Vielfalt an Themen zur Auswahl. Sessiontitel lauteten“Plattformen umsetzen“, „Smarte Oberflächen“, „Ethik in der Digitalisierung“, „Technikkultur Münsterland“, „Datenbasierte Geschäftsmodelle“ oder „Digitalisierung – wie starten?“.

Die Sessions boten Platz für Kreativmethoden, wie die Entwicklung von Personas, Praxisbeispiele aus den Bereichen Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) und lieferten Diskussionsstoff. Die Teilnehmenden stellten dabei fest, dass dass Profit oftmals der größte Treiber im Bereich der Digitalisierung ist und dies zumeist konträr zu ethischen Grundsätzen steht. Insbesondere ein strategisches Changemanagement sowie ein agiles Mindset der Mitarbeitenden können hier hilfreich sein.

Nach den Sessions genossen die Teilnehmenden einen informellen Ausklang auf der Terrasse vom Digital Hub münsterLAND. Die Teilnehmenden gaben positives Feeback zur Veranstaltung und lobten das offene Format. 

Nachfolgend finden Sie nähere Informationen zu den einzelnen Sessioninhalten.

 

Unternehmen brauchen aufgrund der schnellen Veränderung der Märkte eine klare Kundenstrategie. Die Session stellte eine Problemstellung der Customer Journey exemplarisch am Beispiel von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) vor. Die Aufgabenstellung: Wie spreche ich den Kunden mithilfe von AR und VR an? Dazu gab es mehrere Ideen. Idden waren zum Beispiel Mithilfe einer ABC-Analyse den Kunden über verschiedene Wege ansprechen oder ein Buying Center aufzubauen und hierfür Stereotypen und individuelle Personas zu erstellen.

Plattformunternehmen gewinnen zunehmend an Bedeutung und zeigen deutlich, wie neue digitale Geschäftsmodelle bestehende Märkte umkrempeln bzw. ganz neue Märkte schaffen können. Von den zehn stärksten Unternehmen weltweit sind ganze acht Plattformunternehmen. In der Session diskutierten die Teilnehmenden, was genau Plattformunternehmen auszeichnet und wie Netzwerkeffekte generiert werden können, die letztendlich der entscheidende Faktor für den Erfolg einer Plattform sind.

Der Trend hin zur autonomen und individuellen Mobilität hat auch Auswirkungen auf die Lackindustrie, insbesondere im Kontext von Autos. Dort, wo zukünftig weniger Autos verkauft werden, werden auch weniger Lackierungen benötigt. Daher stellt sich die Frage, wie hoch der künftige Bedarf in diesem Bereich sein wird. Sowohl für den Außenraum als auch für den Innenraum sind daher kreative Lösungen gefragt, die neue smarte und digitale Anwendungen berücksichtigen. In der Session sind Fragen aufgekommen, deren Antworten im Nachgang diskutiert wurden. Wie sieht Urbanität in 5-10 Jahren aus? Wie sehen Autos und Fahrzeugoberflächen in 5-10 Jahren aus? Welche Oberflächentechnik für die Mobilität „von morgen“ ist denkbar? Die Session hat gezeigt: Insbesondere die Entwicklung im Autoinnenraum hin zu interaktiven Oberflächen mit flexiblen und intuitiven Anzeige- und Bedienmöglichkeiten, sogenannten Smarten Oberflächen, wird die zukünftige Entwicklung bestimmen.

Ethische Aspekte sollten bei den Themen „Digitalisierung“ und „Digitale Transformation“ von Beginn an bedacht werden. Die Entwicklung der Technologien schreitet so rasant voran, dass die Auswirkungen auf Mensch und Gesellschaft nicht vorhersagbar sind. Als problematisch erachteten die Session-Teilnehmenden dabei, dass Profit oftmals der größte Treiber ist und dieser meist konträr zu ethischen Grundsätzen steht. Die Session diskutierte wie ethische Grundvorstellungen konkret in die digitalisierte Welt übersetzt werden. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Unternehmen und Institutionen entsprechende Gremien installieren sollten, die sich mit kritischen Fragestellungen z.B. im Themenbereich KI auseinandersetzen.

In der Session stellte Tobias Picker vor, wie es möglich ist, innovative Produktideen nachhaltig umzusetzen. So wurde zum Beispiel erklärt, wie ein Unternehmen es schafft CO2 zurückzugewinnen und die Energie weiter für eine Klimaanlage zu nutzen. Darüber hinaus wurden viele weitere innovative Ansätze aufgezeigt. Hierbei ging es unter anderem um Ideen zur Mitarbeiterbindung, Marketing und neuen Produkten.

Die Session bestand daraus, verschiedene Methoden und Ausgabegeräte der digitalen Produktion aufzuzeigen und zu erläutern. Die Teilnehmenden erlebten verschiedene 3D-Druckverfahren und auch das Laser-Cutting direkt vor Ort. Dabei wurde vor allem eines deutlich – digitale Produktion ist zwar schnell und die Daten oftmals frei zugänglich, aber nicht unkompliziert. Die Maschine, der eingesetzte Werkstoff, die Verarbeitungstemperatur, der Datensatz und die Auflösung des Modells sind nur einige Variablen, die bei der digitalen Produktion immer wieder neu kombiniert werden müssen. Die Vorteile der digitalen Produktion sind mitunter die schnellen Ergebnisse, keine Lieferketten, die Produktion auf Bestellung und enorme Flexibilität. Dennoch muss man sich jedes Anwendungsfeld genau anschauen, denn der massenindustrielle Spritzguss oder das Modellieren per Hand behalten weiterhin ihre Berechtigung, wenn es um Kosteneffizienz und Individualität geht. Wer das richtige Einsatzfeld für digitale Produktionsformen gefunden hat, kann Prozesse neu gestalten, Kosten einsparen und die Kundenzufriedenheit erhöhen.

In der Session diskutierten die Teilnehemenden, inwiefern im ländlichen Raum Angebote zur Digitalisierung insbesondere für Kinder und Jugendliche ausgebaut werden können. Dazu gab es drei Thesen:

1. Die Entwicklung einer Technik-Kultur im ländlichen Raum ist notwendig. Insbesondere für Kinder und Jugendliche muss ein barrierefreier Zugang zu Technik-Angeboten gewährleistet sein.

2. Es gibt eine starke Münsterzentrierung der Unternehmen aus Münster: Münsterland ist ungleich Münster.

3. Digitalisierung ist nur eine Teilmenge der Technik.

Es braucht Multiplikatoren, die entsprechende Angebote in Kooperation mit Unternehmen schaffen, z.B. über die Kammern, Wirtschaftsförderungen und Kreishandwerkerschaften.

Erreicht die Industrie 4.0 die Druckluft? Schon kleine undichte Stellen können Unternehmen tausende Euro pro Jahr kosten. Diese sind heutzutage nur schwer auffindbar. Durch digitale Lösungen und Prozessintelligenz lässt sich diese Herausforderung meistern und Druckluftanlagen energieeffizienter gestalten. Momentan besteht in dem Bereich eine Optimierungsmöglichkeit von rund 50 Prozent. In der Session kam die Idee auf, eine All-In-One-Plattform mit eigenem Interface und Druckluft as a service anzubieten.

Die Session begann mit der Aussage “Der Erfolg von heute ist der Feind für den Erfolg von morgen“. Anhand zahlreicher Beispiele verdeutlichte Nicolas Limberg vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Lingen, wie wichtig die stetige Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens ist. Innovation ist sowohl für analoge als auch für digitale Unternehmen ein Schlüsselelement für einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Limberg verdeutlicht, dass es viele Wege für erfolgreiche Innovation gibt. Ein Weg bestehe in der Nutzung von Daten. Mit Hilfe von Daten lässt sich das bestehende Geschäftsmodell optimieren, aber auch ein neues eigenständiges Geschäftsmodell konzipieren. Hierzu führte Limberg zahlreiche praktische Beispiele an.

Unternehmen setzen zunehmend auf ein „agiles Mindset“. Aber was verbirgt sich dahinter? Die Frage ist offenbar nicht so einfach zu beantworten. Natürlich gibt es Definitionen, wie ein „wachstumsorientiertes Mindset, welches flexibel auf seine Umwelt reagiert und sich und anderen Menschen stetige Veränderung zutraut“, also das Gegenteil von einem fixierten Mindset, das nicht auf Veränderungen reagieren kann. Die Teilnehmenden der Session taten sich aber zum Teil schwer das Thema Agilität umfassend zu beschreiben. Christian Heidemeyer stellte daher zunächst die Einflüsse vor, die Menschen als Grundvoraussetzung brauchen, um ein agiles Mindset zu entwickeln. Als einen der wichtigsten Einflussfaktoren nannte er die psychologische Sicherheit des Mitarbeiters, also das Fehlen von Angst vor Sanktionen und Ausgrenzung. Daher müssen Organisationen hierarchiefreie Räume schaffen und inklusiv sein. Es ging aber auch darum, welche digitalen Instrumente eingesetzt werden können, um die Agilität zu erhöhen.

„In times of change the greatest Danger is to act with yesterday´s logic“. Mit diesem Zitat von Peter Drucker begann die Session. Es ging um die Frage, wie Mitarbeiter in Unternehmen mitgenommen werden können, die sich von der Digitalisierung abgehängt fühlen. Christoph Steinhard stellte dazu unterschiedliche Lösungsansätze wie Workshops und Mitarbeitergesrpcähe vor. Der Fokus dieser liegt dabei auf der Nutzung digitaler Medien als Werkzeuge, zum Beispiel für die Vermittlung von komplexen Inhalten, zur Prozessoptimierung oder als Kommunikationsmedium. Ausgangspunkt der Session-Diskussion war die These, dass mit neuen, digitalen Methoden Veränderungen erlebbar gemacht werden und Routinen verändert werden können. Doch welche weiteren (digitalen) Methoden gibt es, um Kreativität und bewusste Veränderung weiter auszubauen? Möglichkeiten sind unter anderem Barcamps oder virtuelle Resien.

Die Digitalisierung verändert Wirtschafts- und Produktionsprozesse. Was bedeutet das für eine Branche wie die der Landwirtschaft? Ein essentieller Aspekt ist es, zukunftsfähig zu sein, was auch bedeutet, Ressourcen bestmöglich einzusetzen und zu bewahren, aber auch ethisch korrekt zu handeln. Der Bereich Maschinen ist bereits heute gut automatisierbar. In der Viehhaltung ist die Technik weniger relevant. Doch auch in diesem Bereich kann das Tierwohl mithilfe von digitalen Technologien verbessert werden. Zu nennen ist dabei z. B. die Verhinderung der Tötung von männlichen Küken der Legehennen. Wärmebildkameras in Ställen können z. B. bei der Früherkennung von Erkrankungen helfen.

Bei der Session ging es darum, wie kleine und mittelständische Unternehmen konkret mit der Digitalisierung beginnen können. Dazu identifizierten die Teilnehmenden einige Herausforderungen und Fragestellungen.

Wie identifiziere ich zukünftige Themen, welche im Rahmen der Digitalisierung auf das eigene Unternehmen zukommen werden? Die Frage stand vor dem Hintergrund, dass jeder Unternehmensbereich einen individuellen Bedarf hat.

Im weiteren Verlauf der Session wurde überlegt wie sich die Bereiche Vertrieb, Logistik und Sortimentskenntnisse digitalisieren lassen. In der Diskussion stellte sich heraus, dass insbesondere die Themen Changemangement und Plattform-Technologie einen Mehrwert generieren können.

Zu Beginn erhielten die Teilnehmenden eine kurze theoretische Einführung in das Thema VR . Anschließend konnten sie die Technologie selbst ausprobieren. Das FabLab Münster stellte hierfür die notwendige Infrastruktur zur Verfügung.

Am Beispiel eines Unternehmens diskutierten die Teilnehmenden, wie sich digitale Talente finden, binden und entwickeln lassen. Ein Weg ist die Kooperation mit Startups. Weitere alternative Recruiting-Strategien sind die Kooperation mit Verbänden und (Fach)-Hochschulen, durch qualifizierte Betreuung von Studierenden für Abschlussarbeiten, Studienprojekte, Praktika etc. Die zentrale Aussage der Session, ist dass Recruiting neu gedacht werden muss. Es muss mit den operativen Einheiten in Unternehmen kooperieren.

Das Matching und die Kooperation zwischen Startups und Mittelstand hat für beide Seiten Vorteile und ist ein erfolgsversprechender Weg für Mittelständler der Herausforderung der Digitalen Transformation zu begegnen. Als Kooperationsformen sind insbesondere Corporate Incubation und Corporate Venturing genannt. Oftmals wird eine Gegensätzlichkeit der beiden Akteure postuliert. Während der Session stand die These im Raum, dass sich Startups und mittelständische Unternehmen ähnlicher sind als sie denken. Weiterhin regte die Session an, was für Unternehmen gerade im erfolgreichen Umgang mit der Digitalen Transformation wichtig erscheint. Es konnten insbesondere zwei Eckpfeiler erarbeitet werden, die beachtet werden können. Die Etablierung einer positiven Fehlerkultur sowie die Digitalisierung Top-down. Dazu gehören, dass die Geschäftsführung ein Vorbild ist und das Abstellen von kleinen Teams, die an dem Thema arbeiten. 

 

Text: Nicolas Limberg

Fotos: Sebastian Köffer, Christian Holterhues