Neben dem Einzelhandel sind auch andere Branchen nach wie vor von der Corona-Pandemie betroffen und haben mit Einschränkungen zu kämpfen. Dienstleister oder Handwerker können Vor-Ort-Termine nur unter Berücksichtigung der aktuellen und wechselnden Auflagen wahrnehmen. Dadurch müssen die eigenen Prozesse neu gedacht werden. Florian Seiler, Geschäftsführender Gesellschafter bei der IT-XY GmbH, einem IT-Dienstleister aus Leer (Ostfriesland), erläutert im Gespräch, wie Cloud-Lösungen und Kommunikationssysteme dabei helfen können, der Krise zu begegnen.
Herr Seiler, inwieweit sind Sie als IT-Dienstleister von der Covid-19 Pandemie betroffen?
Florian Seiler: Wir können unsere Arbeit zwar fortsetzen, allerdings sind viele unserer Kunden direkt oder indirekt betroffen. Das macht sich natürlich auch stark an unserem Umsatz bemerkbar. Viele Projekte wurden verschoben und unsere Kunden geben nur zögerlich Geld aus. Glücklicherweise wird die IT immer benötigt, wodurch wir auch immer Arbeit haben werden. Außerdem betreiben wir ein eigenes Rechenzentrum, worüber Leistungen von verschiedenen Unternehmen bezogen werden, was natürlich auch immer für eine gewisse Auslastung bei uns sorgt.
Und welche Probleme ergaben sich daraus?
Florian Seiler: Mal abgesehen vom eingebrochenen Umsatz und der geringeren Auslastung unseres Systemhauses, hatten wir mit ganz verschiedenen Dingen zu kämpfen. So mussten wir kurzfristig Schutzausrüstung für unsere Techniker auftreiben, damit diese dringende Vor-Ort-Termine weiterhin wahrnehmen können. Außerdem haben wir natürlich, wie viele Unternehmen, teilweise auf Homeoffice umgestellt. Dabei stellten wir dann fest, dass Teile unserer Arbeitsabläufe zum Beispiel in Vertrieb und Buchhaltung nicht optimal waren – die Abhängigkeit vom Papier war zum Beispiel ein Problem. Also mussten wir unser Warenwirtschaftssystem anpassen und Workflows ändern. Der Ablauf ist nun noch nicht optimal, aber wir haben es geschafft, fast alle Prozesse zu digitalisieren.
Sehen Sie auch Chancen in der aktuellen Situation?
Florian Seiler: Ich glaube fest daran, dass Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen nun verstehen, wie wichtig die Digitalisierung von Prozessen, die Anbindung des Homeoffice und gute Konferenz- sowie Terminalsysteme sind. Sobald sich die wirtschaftliche Situation wieder verbessert, werden sicherlich viele Projekte in diesen Bereichen durchgeführt. Auch werden externe Rechenzentren einen noch höheren Stellenwert haben, da so eine höhere Erreichbarkeit, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit der eigenen Systeme möglich ist.
Wieso werden denn Rechenzentren helfen können?
Florian Seiler: Beispielsweise ist ein großer Teil des Ausfallrisikos für die bedarfsgerechte Verfügbarkeit von IT-Diensten durch ein externes Rechenzentrum ausgelagert – Rechenzentren sind redundant ausgelegt und können den Ausfall einer Hardwarekomponente kompensieren. Zudem kann zusätzliche Leistung Schritt für Schritt dazu gebucht werden und muss nicht „für die Zukunft“ gekauft werden, wie bei der Anschaffung von Hardware für den eigenen Betrieb. Außerdem können natürlich gebuchte Leistungen wieder gekündigt oder kleiner dimensioniert werden, bereits gekaufte Infrastruktur kann aber nicht einfach so wieder zurückgegeben werden. Außerdem sind die monatlichen Kosten planbar. So muss zum Beispiel nicht eine plötzliche, hohe Investition nach einem Ausfall oder der notwendige Austausch von Geräten befürchtet werden.
Sehen Sie dafür insbesondere weitere Anwendungsbereiche für die maritime Branche?
Florian Seiler: Ja, gerade für unsere Kunden aus dem Bereich der maritimen Wirtschaft, letztlich über deren gesamte Wertschöpfungskette. Die aktuelle Pandemie zeigt, dass gerade innerhalb der maritimen Branche mit ihren internationalen Verflechtungen, Geschäftsbeziehungen und Prozessen noch erhebliche Potentiale für die Digitalisierung bestehen. Schiffe und dessen Besatzungen benötigen und fordern zu recht digitale Schnittstellen und bessere Kommunikationsmöglichkeiten, um Prozessdaten möglichst live an Land übertragen zu können oder um mit den Angehörigen auch in Krisensituationen in Kontakt zu bleiben. Auf Frachtern zum Beispiel fahren keine Ärzte mit, hier können Video-Übertragungen der aktuellen Situation, in Verbindung mit AR (Augmented-Reality), sehr hilfreich sein.
Es gibt Möglichkeiten zur Förderung von Projekten der Digitalisierung. Was halten Sie davon?
Florian Seiler: Finde ich gut. Entsprechende Projekte können zum Beispiel auch durch die NBank mit Zuschüssen unterstützt werden. Hierunter fallen zum Beispiel Investitionen in Videokonferenzanlagen und –technik/Videokonferenzsysteme, sogenannte „Homeofficetechnik“, Telemedizintechnik/Telemedizinsysteme, aber eben auch die Digitalisierung von Prozessen sowie Investitionen in die Unternehmenssicherheit.
Sie sprechen hier Kommunikationsmittel an. Diese bieten Unternehmen viele Chancen. Doch nicht immer gelingt deren Einsatz. Welche Ursachen sehen Sie dafür?
Florian Seiler: Unternehmen sehen oftmals zunächst nur ihre eigenen Prozesse. In einer gesamten Wertschöpfungskette nachgelagerte Geschäftspartner kämpfen deshalb mit inkompatiblen Datenformaten und Systemen. Hier erkennt man oft ein gewisses Kanaldenken. Manche Unternehmer entscheiden sich für ein Kommunikations- oder Rechnersystem, nur weil andere Unternehmen das auch schon einsetzen. Vielleicht ist aber ein auf das Unternehmen abgestimmtes System besser.
Was raten Sie Unternehmen, die darüber nachdenken, wie sie am besten digital kommunizieren?
Florian Seiler: Wir raten Unternehmen grundsätzlich, sich erst einmal darüber klar zu werden, welches Kommunikationsproblem behoben beziehungsweise verbessert werden soll. Manchmal sind keine ausreichenden Systeme vorhanden, manchmal werden bereits vorhandene Systeme einfach nur schlecht genutzt. Wenn Systeme vorhanden sind ergeben sich weitere Fragen. Zum Beispiel: Ist es ok, wenn die Kommunikation nicht vertraulich und auf fremden Systemen gespeichert wird? Soll Kommunikation über große, bereits bestehende Systeme wie zum Beispiel Facebook erfolgen, oder ist die Entwicklung einer ganz neuen Plattform denkbar?
Das ist die erste Analyse, und dann?
Florian Seiler: Wenn sich für ein Unternehmen zeigt, dass zum Beispiel der Einsatz einer eigenen Online-Serviceplattform sinnvoll ist, sollte man sich auch in die Nutzer versetzen. Welche Art von Kommunikation erwarten sie? Welche Inhalte und Intensitäten sind richtig? Erst danach geht es an die Auswahl der passenden Systemtechnik.
Wie innovativ sollten Unternehmen bzgl. Auswahl und Einsatz von Kommunikationsmitteln auch allgemein sein? Nach vorne preschen oder lieber per Mail weitermachen?
Florian Seiler: Digitale Systeme bieten, gerade in der heutigen Zeit, diverse Möglichkeiten Arbeit zu erleichtern und zu verbessern. Allerdings sollte auch der Mensch dabei „abgeholt“ werden. Damit das wirklich funktioniert, sollte man überlegt herangehen und nicht mal schnell irgendeinen neuen Account einrichten.
Das Interview führte Jörg Bontjer.
Foto: Adobe Stock – inueng